Unterhaltvorschußgesetz

Stellungnahme des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter Landesverband Brandenburg e. V. Fachgespräch am 04.05.2017 zur Anhörung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Unterhaltsvorschuss als familienpolitische Leistung erhalten“ (Drucksache 6/5835)

 

In einer Paarfamilie betreuen und versorgen beide Elternteile ihr Kind gemeinsam. Nach einer Trennung oder Scheidung ändert sich an dieser Verpflichtung nichts – auch nicht für den Elternteil, bei dem das Kind nicht wohnt. Eltern bleiben Eltern!

 

Die Betreuung für die Kinder getrennt lebender Eltern sind vielfältig. Es liegt in ihrer Verantwortung hier einvernehmliche Lösungen in der Ausübung der Sorgepflicht und des Sorgerechts zu finden. Der überwiegende Teil der Eltern entscheidet sich dafür, dass ein Kind seinen Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil hat und der andere Elternteil den Umgang wahrnimmt. Vermehrt wird in der heutigen Zeit über das Wechselmodell und den erweiterten Umgang diskutiert und auch ausgeübt. Die Politik ist gefordert, beim Thema Wechselmodell, erweiterter Umgang und Unterhalt für faire Regelungen zu sorgen.

 

Unterhaltsreform 2008

Die letzte Unterhaltsreform wurde 2008 beschlossen. Die wesentlichen Änderungen beziehen sich auf eine geänderte Rangfolge im Mangelfall (an erster Stelle steht der Unterhalt für minderjährige Kinder), es gab eine Vereinheitlichung der Unterhaltsbeträge für Kinder in den alten und neuen Bundesländern, und Veränderungen für die Dauer des Betreuungsunterhalts für geschiedene und nicht verheiratete Mütter. Der Unterhaltsvorschuss wird aus dem Mindestunterhalt für minderjährige Kinder errechnet.

 

Seit dieser Zeit wird aber das volle Kindergeld auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet. Das ist eine Schlechterstellung von Kindern, deren barunterhaltspflichtige Elternteile nicht leistungsfähig sind gegenüber den Kindern, deren barunterhalspflichtige Elternteile Unterhalt zahlen.

 

Unterhaltsersatzleistung seit 1980

Erstmalig wurde die Art der Unterhaltsersatzleistung zum 01. Januar 1980 in der BRD eingeführt, um Alleinerziehende zu unterstützen, wenn die Unterhaltsleistung durch den anderen Elternteil weggeblieben ist. Bis 1992 bestand der Leistungsanspruch nur bis zum 6. Lebensjahr des Kindes und maximal 36 Monate. Dann wurde die Altersgrenze auf den 12. Geburtstag angehoben, mit 72 Monaten Bezugsdauer. So besteht das Gesetz zurzeit.

 

Obwohl der Bedarf des Kindes nach dem 12. Lebensjahr in der Düsseldorfer Tabelle ansteigt, endet ab diesem Jahr die Möglichkeit der Inanspruchnahme. Und hat ein unterhaltsberechtigtes Kind noch nie Barunterhalt durch den verpflichteten Elternteil erhalten endet die Zahlung bereits mit dem 6. Lebensjahr. Dies hat empfindliche Auswirkungen auf die materielle Situation der betroffenen Familien. Der Wegfall der Leistungen bedeutete für Ein-Eltern-Familien, in denen vor allem ältere Kinder leben, dass sie stärker von Armut betroffen sind.

 

Hilfe und Unterstützung bei der Festlegung des Unterhalts

Zahlt der getrennt lebende Elternteil keinen Unterhalt oder können sich die Eltern über die Zahlung von Unterhalt nicht selbst einigen, haben sie im Rahmen der Jugendhilfe einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung. Sollte diese Beratung und Unterstützung keine Erfolgsaussicht haben, kann der betreuende Elternteil einen Antrag auf eine Beistandschaft stellen.

 

Der Beistand ermittelt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen, errechnet die Höhe des Unterhalts und ist bestrebt, mit allen Beteiligten eine Einigung herbeizuführen. Die freiwillig erklärte Unterhaltsverpflichtung kann vom Jugendamt beurkundet werden. Ist der Unterhalt streitig, so vertritt der Beistand das Kind in einem gerichtlichen Unterhaltsverfahren.

 

Wird festgestellt, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt, weil er nicht bekannt ist, sein Aufenthaltsort unbekannt ist, wird oder zu wenig Unterhalt gezahlt wird, weil kein ausreichendes Einkommen vorhanden ist, besteht eben Anspruch auf Zahlung von Unterhaltsvorschuss.

 

Beistände brauchen entsprechende personelle Ressourcen, aber auch gesetzliche Möglichkeiten, wenn der Unterhalt trotz Einkommen böswillig verweigert wird oder um in regelmäßigen zeitlichen Abständen eine Auskünfte über den Unterhalt einzuholen.

 

Betreuende Eltern haben aber auch die Möglichkeit, einen Anwalt/eine Anwältin mit der Klärung des Kindesunterhalts zu beauftragen. Während die Beistandschaft kostenlos ist, entstehen aber Anwaltskosten. Beratungshilfe bzw. Prozesskostenhilfe sind dabei zu beantragen, wenn nur ein eigenes geringes Einkommen vorhanden ist.

 

Entwurf des Unterhaltsvorschussgesetzes 2017

Eingangs sagte ich, dass das Unterhaltsvorschussgesetz 1992 in der noch zurzeit gültigen Fassung beschlossen wurde. Immerhin hat es 25 Jahre gedauert bis über die jetzige Reform verhandelt wird: Die Zahlung des Unterhaltsvorschusses bis zum 18. Geburtstag des Kindes auszuweiten und die Zeitbegrenzung aufzuheben.

 

Damit erfüllt sich nicht nur für unseren Verband eine langjährige Forderung. Und es ist ein Schritt auf dem Weg zur Bekämpfung der Kinderarmut. Für alleinerziehende Eltern bedeutet diese Reform weniger Sorge und Last bei der Sicherung der Existenz ihrer Kinder. So stand in der Pressemitteilung unseres Bundesverbandes am 24.01.2017:

 

„Alleinerziehende und ihre Kinder haben heute Grund zum Feiern! Nach monatelangem Ringen haben sich Bund, Länder und Kommunen auf einen Kompromiss beim Ausbau des Unterhaltsvorschuss geeinigt.“

 

Der Kompromiss- worin besteht er?

Zum einen bleibt es dabei, dass die vollständige Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsvorschuss bestehen bleibt und nicht die hälftige, wie bei der Berechnung des Barunterhalts. (Regelung seit der Unterhaltsreform 2008) Das ist eine Ungleichbehandlung der Kinder und muss geändert werden.

 

Zum anderen haben Kinder ab 12 Jahren nach dem vorliegenden Gesetzentwurf nur einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn sie keine Leistungen nach dem SGB II erhalten oder ihre betreuenden Elternteile über ein Erwerbseinkommen von mindestens 600€ brutto verfügen.

 

Bisher war die Bewilligung des Unterhaltsvorschuss nicht von der wirtschaftlichen Lage des betreuenden Elternteils abhängig, sondern allein von der Nichtzahlung des Unterhaltspflichtigen. Die Einkommenssituation des betreuenden Elternteils spielte keine Rolle und es gibt dafür auch keine gesetzliche Grundlage im BGB. Bar- und Betreuungsunterhalt wurden gleichwertig behandelt.

Dieser Grundsatz soll jetzt durchbrochen werden. Das lehnen wir ab und unser Bundesverband hat dies in seiner Stellungnahme zur Anhörung im Haushaltsausschuss des Bundestages im März klar zum Ausdruck gebracht.

Auch der SHIA Bundesverband e. V. spricht in seiner Pressemitteilung vom 17.März von einem „faulen Kompromiss“.

 

Der Unterhaltsvorschuss ist eine der wenigen familienpolitischen Leistungen, die sich gezielt an Alleinerziehende und ihre Kinder richtet und ihrer besonderen Lebenssituation Rechnung trägt. Auch die Bertelsmann Studie aus dem Jahr 2016 „Alleinerziehende unter Druck“ weist darauf hin, dass der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Naturalunterhalt erhalten bleiben muss.

 

Als Ausfall- oder Ersatzleistung für nicht gezahlten Kindesunterhalt spielt der Unterhaltsvorschuss eine wichtige Rolle- nicht nur materiell sondern vor allem ideell.

 

Für Alleinerziehende und ihre Kinder macht es einen Unterschied, ob sie für den ausbleibenden Kindesunterhalt stattdessen Unterhaltsvorschuss beziehen, oder ob sie lediglich „Hart IV“ bekommen, das mit einem Stigma verbunden ist – auch wenn sie unter dem Strich die gleiche Geldsumme zur Verfügung haben.

 

Vor allem die ideelle Rolle ist nicht zu unterschätzen, denn der Unterhaltsvorschuss bringt zum Ausdruck, dass die finanzielle schwierige Lage nicht allein durch das mangelnde Einkommen des betreuenden Elternteils entsteht. Die tatsächliche Zahl der Unterhaltsschuldner bzw. der Barunterhaltspflichtigen, die den Mindestunterhalt nicht zahlen, wird durch die Inanspruchnahme des Unterhaltsvorschusses sichtbar.

 

Sind die barunterhaltspflichtigen Elternteile mit dieser Regelung aus ihrer Verantwortung entlassen? Sicherlich nicht, aber wer überprüft ihre Zahlungsfähigkeit? Wahrscheinlich sind es die Jobcenter, die dann annährend gleiche Aufgaben wie die Beistände in der Jugendhilfe haben und demzufolge auch über entsprechende personelle Ressourcen verfügen müssen.

 

Im Bewusstsein der Öffentlichkeit sind Alleinerziehende die Bedürftigen, obgleich der Staat mit der Leistung Unterhaltsvorschuss für die barunterhaltspflichtigen Elternteile einspringt. So titelten Zeitungen, als die Diskussion zum Entwurf des neuen Gesetzes begann, beispielsweise: „Mehr Unterstützung vom Staat für Alleinerziehende“ (Berliner Morgenpost vom 17.11.16)

 

Wären die Zusammenhänge im öffentlichen Bewusstsein präsenter hätte es doch heißen müssen: „Steuerzahler zahlen länger für barunterhaltspflichtige Eltern“. Das würde den moralischen Druck weg von den Alleinerziehenden, die ihrer Pflicht auf Betreuung nachkommen, auf die barunterhaltspflichtigen Eltern lenken, die ihrer Pflicht zur Zahlung nicht nachkommen.

 

Rückholquoten in den Bundesländern

Die Böll Stiftung hat im September 2016 in der Publikation: „Alleinerziehende besser unterstützen - Reformbedarf im Unterhaltsvorschussgesetz“ auf Rückholquoten des Unterhaltsvorschuss in den einzelnen Bundesländern verwiesen.

 

Während die Quote im Bundesdurchschnitt im Jahr 2010 bei 18 % und 2014 bei 23% lag, ist sie im Land Brandenburg im Jahr 2010 mit 13% und 2014 mit 20% ausgewiesen.

 

Die Rückholquote ist abhängig von verschiedenen Faktoren: von der Leistungsfähigkeit der Unterhaltsverpflichteten und der Durchsetzungsfähigkeit der Unterhaltsvorschussstellen.

 

Ein Teil bleibt aber ohne Aussicht auf Erfolg, weil der andere Elternteil nicht bekannt, unbekannt verzogen, inzwischen verstorben oder leistungsunfähig ist.

 

Fazit

Auch nach Trennung und Scheidung bleiben Eltern –Eltern. Dazu gehört eben auch für den barunterhaltspflichtigen Elternteil alles für die Zahlung des Kindesunterhalts zu tun. Eine Maßnahme wäre, barunterhaltspflichtige Elternteile, die selbst Leistungen nach dem SGB II beziehen, vorrangig für den Arbeitsmarkt „fit zu machen“ und wieder in Arbeit zu bringen.

 

Wir bemängeln, dass die Prüfung der Anspruchsberechtigung für Kinder über 12 Jahren

abhängig ist von der Einkommenssituation des betreuenden Elternteils. Das widerspricht der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt im Unterhaltsrecht.

 

Der Bruch dieses Prinzips lenkt den Blick weg von der Verantwortung des barunterhaltspflichtigen Elternteils und schwächt damit den Prozess eines gesellschaftlichen Umdenkens. Unterhaltsvorschuss muss als familienpolitische Leistung erhalten bleiben!

 

Ein großer Schritt in die richtige Richtung bei der Reform ist, die Zahlung des Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Geburtstag des Kindes auszuweiten und die Zeitbegrenzung aufzuheben. Das begrüßen die Familienverbände der Landesarbeitsgemeinschaft sehr. Wir kritisieren aber, dass das Einkommen des betreuenden Elternteils nunmehr Grundlage für die Zahlung des Unterhaltsvorschuss bei Kindern ab 12 Jahren wird. Somit werden die Kinder ungleich behandelt.
 

Christine Beu

Verband alleinerziehender Mütter Und Väter

Brandenburg e. V.